2015 hat der Grosse Rat die kantonale Initiative für eine naturverträgliche und ethische Jagd teilweise für ungültig erklärt. Die Initianten haben diesen Entscheid angefochten und vor Bundesgericht Recht bekommen. Damit kommt die Initiative integral zur Abstimmung. Das begrüsst Verda ausdrücklich. Ungültigkeitserklärungen von demokratischen Mitteln haben äusserst zurückhaltend zu erfolgen. Die politische Diskussion muss möglich bleiben. Verda hat für die Initiative aus verschiedenen Gründen Stimmfreigabe beschlossen.

Was will die Initiative?

Die Initiative will das Bündner Jagdsystem von Grund auf erneuern. Sie stellt insgesamt neun Forderungen und greift dabei mehrere berechtigte tier- und naturschützerische Anliegen auf. Das zentrale Anliegen ist die Winterruhe, die nicht durch die Jagd gestört werden soll. Trächtige und führende Hirschkühe sowie Rehgeissen und ihre Jungen sollen generell geschützt werden. Zudem sollen die Vogel- und Fallenjagd, das Anfüttern zum Töten sowie bleifreie Munition verboten werden. 

Die Initianten wollen zudem beim Alkohol auf der Jagd ansetzen. Es müsse die gleiche Promillegrenze gelten, wie beim Autofahren. Die Jagdeignung und Treffsicherheit der Jäger*innen müsse periodisch überprüft werden. Kinder unter 12 Jahren dürfen zudem nicht mit auf die Jagd genommen und dürfen schulisch nicht zur Jagd motiviert werden. Im Amt für Jagd und Fischerei sowie in der Jagdkommission müssen Tierschüzter*innen und Jäger*innen paritätisch vertreten sein.

Einzelne Anliegen sind bereits (teilweise) erfüllt

In den letzten Jahren wurden verschiedene Anliegen der Initianten bereits umgesetzt, zumindest teilweise. Bleifreie Munition ist heute vorgeschrieben, mindestens soweit dies unter dem Aspekt der Sicherheit und aus Sicht des Tierschutzes verantwortet werden kann.  Jäger*innen sind verpflichtet, ihre Treffsicherheit vor der Jagd zu üben. Der Lebendfang mit Fallen ist nur in Siedlungsnähe möglich, wo Schusswaffen nicht zum Einsatz kommen können und darf nur durch die Wildhut oder von ihr beauftragte Jäger*innen erfolgen. Neu geregelt wurde auch die Wildtierfütterung. So ist die Schalenwildfütterung generell verboten. Luderplätze, ein wichtiges Hilfsmittel der Passjagd, sind in Siedlungsnähe verboten, wenn dadurch Grossraubwild angelockt wird. 

Verzicht auf Sonderjagd nicht ohne Nebenfolgen

Die Wildbestände in Graubünden sind heute sehr hoch. Die Verbissschäden sind gross und die Verjüngung der Schutzwälder immer mehr eine Herausforderung. Wolf und Luchs können mithelfen, die hohen Wildbestände zu regulieren, so dass die Nachjagd zumindest lokal im November und Dezember unnötig ist. In grossen Teilen Graubündens ist ein Gleichgewicht zwischen Wild – Wald – Wolf und damit die Aufrechterhaltung funktionierender Schutzwälder heute ohne Sonderjagd nicht möglich. Ohne den Abschuss auch von Jungtieren können die hohen Wildbestände zudem nicht reguliert werden.   

Ein Verzicht auf die Sonderjagd, wie von der Initiative gefordert, ist aus Sicht der Verda heute kaum möglich. Das heisst aber nicht, dass Anpassungen des Jagdgesetzes und der Betriebsvorschriften unnötig sind. Ab Dezember oder bei viel Schnee sollte die Winterruhe der Tiere respektiert und auf jegliche jagdliche Tätigkeiten verzichtet werden. Pro Jäger*in und Tag sollte die Anzahl Tiere, die auf der Sonderjagt erlegt werden dürfen zudem beschränkt werden. 

Eine Jagd ohne Alkohol und Abschüssen von bedrohten Vögeln

Der Birkhahn und Alpenschneehuhn gelten als potentiell gefährdet. Trotzdem sind sie in Graubünden jagdbar. Die zunehmenden Störungen ihrer Lebensräume sowie der Klimawandel sind für die zwei Vogelarten ein zunehmendes Problem. Darum sind diese zwei Vögel von der jagdbaren Liste zu streichen. Aus ökologischen Gründen ist die Jagd auf Vögel generell unnötig. Über das Vorkommen von Vögeln entscheidet das Lebensraum- und Nahrungsangebot. 

Alkohol und Waffen, das verträgt sich nicht. Wer eine Waffe führt, sollte darum auf Alkohol verzichten. Dies aus Sicherheitsgründen aber auch um die Treffsicherheit zu erhöhen. Die Einführung einer Promillegrenze wie für Autofahrer*innen ist darum sehr zu begrüssen. 

Schwierig umsetzbare Anliegen

Die Jagd gehört zum Bündner Kulturgut. Zu verbieten, dass Kinder unter 12 Jahren mit ihren Angehörigen auf die Jagd gehen, beurteilt Verda als nicht umsetzbar, umso mehr als die Jagd ein wichtiger Bestandteil vieler Familien ist. Der Entscheid soll den Eltern überlassen werde. Die (kritische) schulische Auseinandersetzung mit der Jagd, die Teil des Bündner Alltags ist, erarchtet Verda zudem als durchaus sinnvoll. Eine paritätische Berücksichtigung von Tier- und Naturschützer*innen unterstützt Verda. Auf dem Amt für Jagd und Fischerei ist dieses Anliegen aber kaum umsetzbar. Ein jagdlicher Hintergrund schliesst tier- und naturschützerisches Gedankengut ja nicht aus.

Verda beschliesst Stimmfreigabe

Teile der Initiative  für eine naturverträgliche und ethische Jagd unterstützt Verda. Andere Anliegen sind jedoch kaum oder nur mit Nebenfolgen umsetzbar. Aus diesen Gründen hat Verda Stimmfreigabe für die Initiative beschlossen.